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Vortrag Dr. Heller Februar 1994 PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Administrator   
Kurzfassung des am 3.2.1994 von Dr. Kurt Heller anlässlich des Empfanges des Komitees "Venedig lebt" gehaltenen Vortrags

 

Im Jahre 1205 wurde Pietro Ziani als Nachfolger des Eroberers von Byzanz, des Dogen Enrico Dandolo, zum Dogen gewählt.

Nach der Überlieferung soll Pietro Ziani im Jahre 1224 im Großen Rat, der Versammlung der Adeligen, den Antrag eingebracht haben, den Sitz der venezianischen Regierungsstellen von Venedig nach Byzanz zu verlegen. Der Prokurator von San Marco, Angelo Falier, soll eine flammende Gegenrede gehalten haben, die dazu führte, dass der Antrag des Dogen keine Zustimmung fand. Die Abstimmung im Großen Rat war aber denkbar knapp. 350 Mitglieder stimmten für den Antrag des Dogen und 352 dagegen. Die Akten über diese Abstimmung wurden nie gefunden und man weiß nicht, ob die Abstimmung nicht nur Legende ist. Venezianische Geschichtsschreibung und Legende sind kaum auseinander zuhalten.

Interessant ist jedoch die Begründung des Dogen:

Venedig sei wenig geeignet zum Wohnen, die Qualität des Wassers sei schlecht, es gäbe häufig Erdbeben und es bestünde ohnehin die Gefahr, dass Venedig vom Wasser überflutet würde.

 

Die Voraussage vom baldigen Untergang Venedigs, die wir heute immer wieder antreffen, hat also Tradition. Überlieferungen aus dem 15. Jahrhundert gaben Venedig nur mehr eine Lebenszeit von 30 Jahren. Der englischer Schriftsteller Joseph Addison (1672-1719) schrieb 1705 über Venedig:

 

"Unsere Reisebeschreiber wollen durchaus behaupten, diese Stadt würde in ein oder zwei Menschenalter in großer Gefahr sein, auf dem festen Land gelassen zu werden",also zu versanden.

 

Ein Bericht einer österreichischen Tageszeitung über die Ausstellung zum 200. Todestag Francesco Guardis, die im Vorjahr in Venedig stattfand, trug die Überschrift: "Venedigs vorgeahnter Untergang."

 

Aber: "Venedig lebt"

Die Voraussagen vom Untergang Venedigs waren aber keine Hirngespinste, wie man am Schicksal Ravennas ablesen kann. Auch Ravenna war im Altertum eine Lagunenstadt. Heute liegt sie einige Kilometer vom Meer entfernt. Die Lagunen, die sich einst vom heutigen Montfalcone bis südlich von Ravenna erstreckten, waren einerseits vom Wasser der Adria bedroht und andererseits von den Flüssen, die die Lagunen mit Geröll und Sand zuzudecken drohten.

 

Venedig verdankt seine fortdauernde Existenz nicht dem Glück oder Zufall, sondern dem Umstand, dass es in jeder Generation Personen gab, die etwas gegen den Untergang der Stadt unternahmen. Eine Beschreibung dieser Bemühungen würde Bände füllen. Nur wenige Beispiele seien erwähnt:

 

In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden innerhalb kurzer Zeit mehrerer Großprojekte durchgeführt, die die Stadt und die Lagune retteten:

          Entschlammung sämtlicher Kanäle (1531 und 1565)

          ab 1540: Verlegung der Mündung der Brenta aus der Lagune (Ihr Hauptarm läuft heute über den sogenannten Brentakanal nach Süden und mündet südlich von Chioggia in die Adria)

          ab 1560: Verlegung der Mündung der Piave aus der Lagune (sie mündet heute östlich von Jesolo)

1545 musste der neu gewählte Doge Francesco Donà versprechen, wenigstens zweimal im Monat mit der obersten Wasserschutzbehörde, den Savi alle Acque, über den Zustand der Lagune zu konferieren.

Im folgenden Jahrhundert wurden am Lido die Murazzi gebaut, eine Ansammlung riesiger Felsbrocken, die die Lagune vor den Fluten der Adria schützen sollten.

Wenn man das Wahlprogramm des neuen Bürgermeisters von Venedig, Massimo Cacciari liest, so findet man die selben Maßnahmen wieder, die schon seine Vorfahren ergriffen hatten, nämlich:

          Entschlammung der Kanäle und

          Hochwasserschutzmaßnahmen (Möglichkeit der Sperre der drei Eingänge der Adria zur Lagune)

Während die Großprojekte staatlich finanziert wurden, war die Kunst Venedigs immer auf Privatinitiative angewiesen:

Geht man mit offenen Augen durch Venedig, so sieht man immer wieder die Zeichen dieses privaten Mäzenatentums. Eine Beschreibung dieser Zeichen, würde auch Bände füllen. Daher seien nur zwei Beispiele genannt:

          Tizian: Die heilige Konversation in der Frari Kirche (In der rechten unteren Ecke des Bildes kniet ein Mann mit seiner Familie, Jacopo Pesaro, der den Auftrag zur Herstellung es Bildes gab)

          Santa Maria Formosa: An der Außenfassade findet man die Büsten von Angehörigen der Capello Familie, die die finanziellen Mittel zum Bau dieser schönen Kirche zur Verfügung stellten.

Die Einzelpersönlichkeiten unter den Mäzenen sind im 20. Jahrhundert selten geworden. Die wichtigste private Stiftung dieses Jahrhunderts ist die von Graf Giorgio Cini gegründete "Fondazione Cini", der die Renovierung des Klosters von S. Giorgio Maggiore zu verdanken ist.

 

Die bedeutsamste Initiative des 20. Jahrhunderts ist aber die Schaffung der Comitati privati, die dem verheerenden Hochwasser vom November 1966 folgte. Das Hochwasser hatte zahlreiche Kunstwerke beschädigt oder bedroht. Die Einwohner einen relativ kleinen Stadt wie Venedig, deren historisches Zentrum (ohne die Festlandsiedlungen, wie Mestre) heute nur mehr von ca. 70.000 Personen bewohnt wird, können die Erhaltung der Kunstschätze nicht allein finanzieren. Da die Kunstschätze schließlich der ganzen Welt gehören, ist es auch Aufgabe der ganzen Welt, sie zu erhalten. Einige wenige Einzelpersonen starteten unter der Schirmherrschaft der UNESCO die Initiative, in vielen Ländern private Komitees zu gründen, die die gemeinsame Betreuung der Kunstschätze Venedigs übernehmen sollten.

 

Am bedeutendsten waren und sind das Amerikanische Komitee "Save Venice" und das britische Komitee " Venice in Peril", deren Präsident und Mann der ersten Stunde, Sir Ashley Clarke vor wenigen Tagen, nämlich am 20. Jänner 1994 in London verstarb. Ich hatte ihn und seine Witwe, Lady Francis Clarke im Oktober 1993 persönlich kennen gelernt. Lady Clarke schrieb mir vor wenigen Tagen einen Brief, in dem sie ihre besonderen Glückwünsche für unser Komitee zum Ausdruck brachte.

 

Inzwischen gibt es ca. 25 Komitees aus Australien, Frankreich, Deutschland, Schweden, der Schweiz, den USA, den Niederlanden usw... Es gibt kaum ein wichtiges Bauwerk Venedigs, das in den vergangenen 28 Jahren nicht von den Comitati privati restauriert wurde.

Es gibt allein fünf Komitees aus den USA, aber es gab 27 Jahre lang kein Komitee aus dem benachbarten Österreich. Anfragen und Aufforderungen aus Venedig blieben 27 Jahre lang erfolglos.

 

Als ich im Sommer 1993 bei einem Gespräch in der Außenstelle der UNESCO in Venedig davon erfahren hatte, sprach ich mit Freunden und Bekannten. Im Sommer 1993 gründeten schließlich Frau Ing. Lilly Cantini, Herr Dr. Christian Lippert und ich das Österreichische Komitee "Venedig lebt", das inzwischen im Vereinsregister eingetragen ist. Wir wurden zur alljährlichen Sitzung der Comitati privati eingeladen. Anfangs Oktober 1993 stellte ich den Verein in Venedig vor, worüber auch in Tageszeitungen berichtet wurde. Bei der Sitzung in Venedig wurde eine Dachorganisation der Comitati privati in Form eines Vereines nach italienischem Recht gegründet, dem unser Komitee über Einladung im Dezember 1993 beitrat. Wir sind also offiziell bei der Dachorganisation akkreditiert.

 

Präsident der Dachorganisation ist Alvise Zorzi , der zahlreiche Bücher über Venedig schrieb, darunter das einzige Buch über die Zeit Venedigs unter österreichischer Herrschaft, "Venezia Austriaca". Die Familie der Zorzis war bereits an der Wahl des ersten Dogen im Jahre 697 beteiligt und stellte später selbst einen Dogen.

 

Heute stellen wir das Komitee erstmals der Öffentlichkeit in Österreich vor.

Was wollen wir und was bieten wir? Allgemein gesagt wollen wir zur Erhaltung der Kunstschätze Venedigs beitragen. Unser Komitee ist aber kein bloßer "Fund raising"-Verein. Wir wollen den Mitgliedern auch etwas bieten. Wir wollen durch Pflege kultureller Kontakte zwischen Venedig und Österreich zum besseren wechselseitigen Verständnis beitragen. Unsere Mitglieder sollen Venedig so sehen, wie man die Stadt als bloßer Tourist nicht sehen kann.

 

Was heißt das konkret ?

          Wir wollen Sie in Vorträgen und anderen Veranstaltungen mit der Kunst und Geschichte Venedigs vertraut machen.

          Wir wollen unsere Mitglieder über aktuelle Ereignisse in Venedig, vor allem aber über die Erhaltung und Pflege der Kunstwerke informieren. Dazu dient zunächst ein in unregelmäßigen Abständen erscheinender Newsletter. Wir hoffen aber, finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben, um auch andere Veröffentlichungen fördern zu können.

          Wir wollen Kontakte herstellen, damit österreichische Studenten in Venedig Forschungsarbeiten, vor allem auf dem Gebiet der Geschichte, der Restaurierung und der Kunst durchführen können. Wir hoffen, dass daraus ein Studentenaustausch entsteht.

          Alljährlich wollen wir an einem verlängerten Wochenende unsere Mitglieder nach Venedig einladen und für sie ein Programm zusammenstellen, dass ihnen Venedig von einer anderen, bloßen Touristen unbekannten Seite zeigt. Wir wollen Ihnen aber keine Kunstreisen anbieten, wie Sie sie auch in Reisebüros buchen können. Wir wollen Ihnen vielmehr ermöglichen, Gebäude von innen zu sehen, die sie sonst nicht besuchen können. Sie sollen aber auch Gebäude kennen lernen, die an sich für Touristen zugänglich sind, aber von diesen nicht besucht werden. Ein Beispiel ist die Kirche San Francesco della Vigna, die von Jacopo Sansovino gebaut wurde und deren Hauptfassade von Palladio stammt. Ich habe einige Stunden in dieser Kirche verbracht, um ihre Kunstwerke zu bewundern, aber noch nie einen Touristen in der Kirche gesehen. Über das rein künstlerische Programm hinausgehend wollen wir Sie auch mit Personen und Einrichtungen der Stadt bekannt machen und bei einem geselligen Beisammensein Gedankenaustausch mit Ihnen pflegen.

          Zu meiner besonderen Freude haben wir bereits Venezianer als Mitglieder unseres Komitees gewonnen und wir wollen eines Tages auch Venezianern Gelegenheit geben, Österreich von der nichttouristischen Seite aus kennen zu lernen.

 

Was erwarten wir uns von unseren Mitgliedern:

Wir hoffen, viele interessierte Mitglieder zu bekommen. Es gibt drei Arten von Mitgliedern:

          Fördernde Mitglieder: Sie sind zur Teilnahme an allen Veranstaltungen des Komitees und zur Benützung aller Einrichtungen des Komitees berechtigt. Sie zahlen einen Mitgliedsbeitrag und dürfen auch an der Generalversammlung mit beratender Stimme teilnehmen.

          Ordentliche Mitglieder: Von ihnen erwarten wir aktive Mithilfe. Das heißt nicht, dass sie Ihren Beruf aufgeben müssen, um Zeit für die Tätigkeit im Komitee zu haben. Wir erwarten auch nicht, dass Sie einen wesentlichen Teil ihrer Freizeit opfern. Die Hilfe kann auch in gelegentlichen Aktionen bestehen. Beispiele für solche Hilfen sind:

          Herstellung des Kontaktes zu öffentlichen Stellen, die uns unterstützen

          Herstellung von Kontakten zu Massenmedien, um unser Komitee und seine Ziele bekannt zu machen

          Organisation einzelner Veranstaltungen, z.B. eines Vortrages, einer Führung oder einer Ausstellung

          Hilfe bei Aussendungen

•          Verfassung von Beiträgen zum Newsletter

          Mithilfe bei anderen Veröffentlichungen

          Hilfe bei der Suche von Sponsoren für einzelne Projekte. Wir können keine größeren Restaurierarbeiten in Venedig bloß aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren.

Das Programm für heuer wird in der Generalversammlung, die in wenigen Wochen stattfinden wird, erörtert werden. Geplant ist folgendes:

          Finanzierung der ersten (kleinen) Restaurierarbeit:

In Aussicht genommen ist die Restaurierung einer Holzgruppe aus S. Pietro in Castello, der Bischofskirche seit dem 8. Jahrhundert, die seit 1451 bis nach dem Sturz der Republik der Sitz des Patriarchen von Venedig war. Die Holzgruppe wird dem Südtiroler Künstler Gammaria Morleiter zugeschrieben. Die Kosten betragen rund S 130.000.--

          Vortrag in Wien

          Führung in Venedig für Mitglieder an einem verlängerten Wochenende im Herbst

 

Wer noch immer nicht überzeugt ist, dass er bei uns mittun soll, dem gebe ich ein Wort der Tante Jolesch zum Nachdenken mit auf den Weg. Friedrich Torberg berichtet, dass Tante Jolesch gesagt habe:

"Alle Städte der Welt sind gleich. Nur Venedig ist ein bisserl anders."

Dieses "Bisserl - anders - sein" gegenüber allen anderen Städten der Welt, die Einmaligkeit Venedigs, die in den Worten der Tante Jolesch zum Ausdruck kommt, ist es, was uns am Herzen liegt.

Letzte Aktualisierung ( Freitag, 11. Januar 2008 )
 

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